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Nick Cave And The Bad Seeds

7. Oktober 2017, Frankfurt, Jahrhunderthalle

Black Is The Color

Das babylonische Sprachgewirr am Einlass liefert Zeugnis von der Relevanz der Band. Es beginnt zu regnen, die Stoiker im Publikum nehmen’s gelassen hin, der zahlenmäßig unterlegene „Rest“ hat nichts verstanden. Irgendwo hier muss Gott sein, nicht hier draußen, evtl. in der Halle, gut möglich.
Schwarz dominiert, Kleidung, Videoleinwand, Sound, Stories, dennoch, nach 135 Minuten werden wir feststellen: Wir sind zuversichtlich! Dem plausiblen Ruf aus dem Clan ‘macht eure Scheiß-Handys aus‘ folgen die meisten, das Hochamt kann, von Blitzen weitestgehend ungestört, Fahrt aufnehmen.

Die Bad Seeds prüfen das disziplinierte Auditorium bis auf das Äußerste. Mit reichlich Verspätung feiert der bekennende Christ eine Liturgie, deren dramatische Aneinanderreihung der einzelnen Versatzstücke zu großer Kunst werden lässt.
Cave wird empfangen wie ein Messias, er selbst ist smart genug, eben genau diese naheliegende Grenze zu überhöhtem Pathos NICHT zu überschreiten, das frühe „Jesus Alone“ zerrt gewaltig an den Nerven, die Belastbarkeit wird ausgelotet, das Publikum immer wieder clever eingefangen.
Die großen Momente des Abends sind mehr die stillen, wenn der Prediger am Piano Platz nimmt, „Into My Arms“, oder Alter Ego und Grinderman-Kumpel Warren Ellis die Violine nach Punkmanier umdeutet. Die sechs Musiker (!) agieren so triebhaft wie gezielt, jede Note, jeder Einsatz sitzt, davor ein Getriebener der ständige Be-Rührung mit seinem Publikum sucht. Die Bad Seeds wurzeln knietief im ursprünglichen, im rohen Blues, lobpreisen einen intelligenten Chamber-Folk und rücken mit der ureigenen (frühen) Punkattitüde vom Verdacht der Beliebigkeit meilenweit ab.

Es ist Drastisches geschehen im Leben von Nick Cave, immer wieder, analog wenden sich die Texte immer mehr Gott & Religiösität zu; die Vermutung lag auf der Hand, dass nach „Skeleton Tree“ Schluss ist, Schluss sein muss, die Zugaben öffnen die letzten Schranken, mit quasi Brachial-Intensität. Bei „Stagger Lee“ versammelt Cave mehr oder minder routiniert das Publikum auf seiner Bühne um sich, als Pose ist das nicht zu verstehen.

Wir schieben den Himmel weg. Gemeinsam. Alle!

Push The Sky Away:
Ich hatte Recht und hatte Recht
oh die Sonne, die Sonne
die Sonne geht hinterm Feld auf

Ich hab ein Gefühl, dass ich nicht abschütteln kann
ich hab ein Gefühl, das einfach nicht weggeht
schieb einfach immer weiter
schieb immer weiter
schieb den Himmel fort

Und wenn deine Freunde denken, du solltest es anders machen
und wenn sie denken, du sollst es genau so machen
schieb einfach immer weiter
schieb immer weiter
schieb den Himmel fort

Und wenn du das Gefühl hast, alles bekommen zu haben, wofür du kamst
wenn du alles bekommen hast und nicht mehr willst
schieb einfach immer weiter
schieb immer weiter
schieb den Himmel fort

Und einige Leute sagen, es ist nur Rock'n'Roll
aber es fährt dir tief in die Seele
schieb einfach immer weiter
schieb immer weiter
schieb den Himmel fort

Um 23:00 Uhr keine Tränen in den Augen zu haben, ist ein Zeichen von Schwäche.

Und: irgendwo muss Gott sein, Hier und Heute!

Die Setlist:
Anthrocene
Jesus Alone
Magneto
Higgs Boson Blues
From Her to Eternity
Tupelo
Jubilee Street
The Ship Song
Into My Arms
Girl in Amber
I Need You
Red Right Hand
The Mercy Seat
Distant Sky
Skeleton Tree
Encore:
The Weeping Song
Stagger Lee
Push the Sky Away

Die Band:
Nick Cave: vocals, piano, electric piano, synthesiser, vibraphone, backing vocals
Warren Ellis: Synthesiser, loops, electric piano, piano, baritone tenor guitar, violin, viola, drum treatments, drum loops, backing vocals
Martyn Casey: bass
Thomas Wydler: drums
Jim Sclavunos: percussion, vibraphone, tubular bells, backing vocals
George Vjestica: acoustic guitar, backing vocals
Die Alben: Alle, einfach alle!!!

Gunther Böhm