12. März 13. März 14. März 15. März 16. März 17. März 18. März 19. März sxsw2010 12. März 13. März 14. März 15. März 16. März 17. März 18. März 19. März sxsw2010

Amorphis – Leprous – The Man-Eating Tree

30. Dezember, Substage, Karlsruhe

The beginning of times at the end of the year

Zum Abschluss des Konzertjahres 2011 ging‘s einen Tag vor Silvester noch einmal ins schöne neue Substage nach Karlsruhe, wo ein ganzer Haufen Skandinavier im Rahmen von Amorphis‘ „The beginning of times“-Tour zu einem schönen musikalischen Jahreabschluss einlud.

Offizieller Beginn war 20 Uhr und als ich nach einer staufreien Fahrt um 19.15 Uhr im Substage eintraf, war da so gut wie nichts los, vielleicht 100 Nasen anwesend. Dabei ziehen doch Amorphis eigentlich massiv?

Die Vielzahl der später Anwesenden hat dann wahrscheinlich die erste Band der Abends, THE MAN-EATING TREE, verpasst, die die gingen Punkt 19.30 Uhr auf die Bühne. Eine Unsitte, Konzerte vor dem eigentlichen Beginn starten zu lassen. Vor einem guten Jahr habe ich sie mit Tarot schon im Nachtleben in Frankfurt gesehen, und da gefielen sie mir schon sehr gut. Mittlerweile gibt es ein zweites Album, das stilistisch direkt ans Debut „Vine“ anschliesst, und im Grunde kann ich mein Fazit von damals hier reinkopieren: die neue Scheibe „Harvest“ wurde im Rock Hard in einer Plus/Minus-Kritik von Wolf-Rüdiger Mühlmann grandios abgebürstet, aber ich glaube, er hat sie überhaupt nicht richtig angehört. Die Musik des finnischen Sechsers um Poisonblack-Gitarrist Janne Marcus und ex-Sentenced-Drummer Vesa Ranta (auf dieser Tour nicht dabei) ertrinkt natürlich in der landestypischen finnischen Melancholie, aber in meinen Ohren sind TMET von übertriebenen Kitsch oder gar „Mädchenmusik“ sehr weit entfernt, dafür sind die Kompositionen schlicht zu sperrig und uneingängig. Ich höre hier immer noch deutliche Alternative-Anklänge aus ihrem Gothic-Rock raus, die Blackfield-Platten kennen die bestimmt. Zudem hat diese Band für mich einen recht eigenen Touch, der aber primär auf der Bühne ersichtlich ist... bei Frontmann Tuomas, diesem kleinen Mann mit der großen Bierplauze, erwartet man optisch eigentlich eher, dass er in einer Death Metal-Kapelle den Frontgrunzer gibt, dann überrascht er aber mit einer warmen, unerwartet hohen Gesangsstimme. Das alles ist für mich ein gutes, stimmiges Paket und schöne Musik für die Herbsttage abseits der ausgetretenen 0815-Gothic-Pfade. Ich mag die Band! Auftritt war mit 30 Minuten zu kurz, kann aber definitiv für TMET als Erfolg verbucht werden, da Tuomas mit seinen sympatischen Ansagen, teils in sehr gutem Deutsch, das sich langsam füllende Substage auf seine Seite zog.

Einen kompletten Gegenpol gab es mit Band Nr. 2, LEPROUS aus Norwegen. Die sind bei Inside Out unter Vertrag, was schon reicht, um zu wissen, wohin grob die Reise geht... ins Prog-Land. Sie kommen aus Emperor's Heimatstadt Notodden, waren schon mit Ihsahn als Begleitband auf Tour... da kann man gespannt sein! Abgefahrener Kram war es auf jeden Fall. Das fing schon beim, für meine Augen einen Tick zu sehr gewollt-freakigen, Outfit an, mit Westen und Krawatten/Fliegen. Musikalisch war es ein buntes Sammelsurium aus der Welt der modernen Prog-Musik, Mathcore-Riffs a la Dillinger/Meshuggah (inkl. acht-saitiger Gitarre) treffen auf Opeth‘sche sphärische Parts, schräge Harmonien und Synthies (gespielt vom ge-dreadlockten Sänger), die man so vielleicht auch von Disco Ensemble her kennt. Eine sehr wilde Mischung, mit der entsprechenden Bühnenshow, nur manchmal schlich sich das Gefühl ein, dass das alles nicht immer 100 Prozent zusammenpasst und im Verlauf der Show wurde dieser wilde Stilmix doch recht anstrengend; das lag in meinen Ohren auch ein wenig am Gesang, denn so gut der cleane Gesang klang, so viele Schwächen waren bei den harschen Gesangsparts auszumachen; klang teilweise überdreht. An den Instrumenten kann die Band aber definitiv einiges und ich werde mir da ganze mal auf Platte anhören.

AMORPHIS boten als Headliner da dann natürlich den Ohren die passende Entspannung; das Substage war mittlerweile brechend voll und die Band wurde gegen halb zehn begeistert empfangen; die Bühne war schön mit Motiven des neuen Albums dekortiert und die Menge fraß Fronter Tomi vom Opener „Song of the sage“ an aus der Hand. Dieser Sängerwechsel vor ein paar Jahren hat der Band einen gewaltigen Schub gegeben, gibt wohl wenig Sängerwechsel, die sich für eine Band dermaßen ausgezahlt haben; stimmlich war er top im Form, nie klangen bei Amorphis die Clean Vocals UND die Growls so gut und das von einer Person und nicht wie in der Vergangenheit von Pasi und Tomi Koivusaari getrennt. Ganz große Überraschungen in der Setlist oder eine energetische Liveshow darf man von den (abgesehen von ihrem Fronter) eher reservierten Finnen natürlich nicht erwarten, aber in erster Linie geht es um die Musik und da feuerten sie die Hits der Joutsen-Ära wie „The smoke“, „Towards and against“, „Sky is mine“ oder „Silver bride“, neueren Stoff vom „The beginning of times“-Album oder alte Klassiker „My kantele“, „Into hiding“ oder – und doch noch eine Überraschung!! – „Vulgar necrolatry“ – raus; perfekt gespielt, mit gutem, vielleicht einen Tick zu leisen Sound und einem stimmungsvollen, passenden Bühnenbild. Amorphis kann ich mir einfach immer anhören, eine richtig tolle Band. Kritikpunkte? Ein, zwei Songs hätte man noch dranhängen können, 90 Minuten sind ok, aber 100 und noch „Black winter day“ wäre auch schön gewesen. Oder „Three words“ von der neuen. Oder „Leaves scar“. Oder „A servant“. Oder... ach, egal, Jammern auf hohem Niveau.

Ein schöner Jahresabschluss. Auf dass das Konzertjahr 2012 auf so viel Gutes bringt.

Setlist Amorphis:

1) Song of the Sage
2) Mermaid
3) The Smoke
4) Against Widows
5) Towards and Against
6) You I Need
7) Sky is Mine
8) Vulgar Necrolatry
9) Into Hiding
10) Crack in a Stone
11) Alone
12) Sampo
13) Silver Bride

Florian Störzer