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Biber Herrmann

5. Oktober 2013, Chaiselongue, Viernheim

So long, Fritz!

In Viernheim gibt’s neben Trinkhallen und Brennpunkten auch das Chaiselongue, ein Kulturladen für Jugendliche, Selbstverwirklicher und Streuner.


Und Regen satt, Leute ich sag’s euch, Samstagabend und jede Menge Regen. Nix mit Rainbow Walker, Angels In The Rain vielleicht, das müssen andere entscheiden. Es ist so düster in Südhessen, dass wir den Club kaum finden. Zwei Best-Ager, sehen nicht wirklich aus wie Blues, geben uns die Richtung. Ah, tatsächlich geschafft, am Eingang steht der Biber und freut sich über jeden Freak. In Viernheim sind zum ersten Mal die Gitarrentage angesagt … eigentlich war Biber Herrmann heute für eine Bluesreise gemeinsam mit dem höchst unterhaltsamen und eloquenten Fritz Rau gebucht. Der 19. August hat auf traurige Weise einen dicken Strich durch die Blues-Rechnung gemacht und Fritz zu den Altvorderen des Fachs gerufen. Open Air in Heaven mit Muddy und Willie und Memphis, Fritz pass auf, dass die Jungs ihre Gage bekommen!

Das Chaiselongue jedenfalls ist ein schöner Backsteinbau, gestuhlt, ein paar Tische und man ahnt es schon, es ist gut gefüllt. Fifty and up, was den Vorteil hat, dass wir die jüngeren sind, und den Nachteil, dass ich mir Sorgen machen muss, was zum Teufel aus unserer Musik werden soll? Das ist eh ’ne Nischengeschichte, wenn die paar Bluesbäuche auch noch gehen, ist’s aus. Heute noch nicht, heute ist Blues-Time, höchst anspruchsvolle zwölf Takte auf sechs Saiten, wie Biber meint: Akustisch!

Eröffnet wird die Zeitreise von Helmut Neumann (g) und Meike Krauß (voc), als Duo Neumann & Krauß.

Neumann und Krauss

Es ist eine Binsenweisheit, dass Kritik immer subjektiv ist. Von Kritik soll auch keine Rede sein, zumal ich von der Mugge kaum Ahnung habe, also besser mal die Klappe halten. Zweifellos ist Helmut Neumann ein hervorragender Musiker, sein Spiel erreicht mich allerdings nicht wirklich, das ist mir zu angejazzt, fast konzertant, elitär wäre ungerechtfertigt. Mit Stevie Wonder’s Hommage an Duke Ellington fing es noch passabel an, der linke Fuß wippt im Takt mit (geht fast automatisch, muss nur das Hüftgold anschieben) für einen Chuck-Berry-und-Stones-Fan ist die Symbiose aus Jazz und Chanson zu schwere Kost. Wie gesagt musikalisch bestimmt erstklassig, im Stil manchmal ein wenig an José Feliciano erinnernd, fast schon zu gut. Auch Meike Krauß’ Stimme ist angenehm warm, gleichförmig, hervorragend mit der Gitarre korrespondierend, in den höheren Lagen (selten) leicht kippend, soundkompatibel. Auch eine Nummer des geschätzten Singer/Songwriters James Taylor kann (mich) nicht voll überzeugen. Das klingt alles ein wenig nach dezenter Beschallung einer edlen Hotelbar, für ein Publikum, dass Musik nur benutzt, um mit „Barjazzo“ den Barolo runterzuspülen. Und dafür sind Neumann und Krauß definitiv zu gut und zu schade. Was bleibt, ist ein Duo, dass den Mumm hat mit seiner außergewöhnlichen Musik vor ein Publikum zu treten, das eine Zugabe erklatscht und „objektiv“ begeistert war. Da ist mein subjektiver Bericht (Achtung: keine Kritik) unrelevant. Auf jeden Fall war’s echt, und das ist nicht das schlechteste Zeugnis!

Eine Behauptung (noch ’ne Binsenweisheit) wird nicht richtiger oder falscher je öfter sie wiederholt wird, ich kann’s mir nur einfach besser merken: Nein im Ernst, Biber hat den Deltablues, und in Wahrheit möchte ich ein wenig missionieren, für den Blues, für Gitarren und auch für den Abend, ohne Eifer versteht sich! Wenn Biber Herrmann bescheiden über seine Musik spricht, taucht immer wieder ein Begriff auf: Akustische Gitarre! Ja, klar stimmt das, aber am Ende des Resonanzkörpers hängt auch leger ein Kabel runter. Und was da eher zufällig aus der Dobro in der Version des Robert-Johnson-Klassikers „Come On In My Kitchen“ den Bluesoldies ziemlich roh und doch geschliffen entgegendonnerte, war erstklassiges Südstaatbluesfeeling der nicht erwarteten brachialeren Variante.

Biber Herrmann

Musiker und Soundmeister schienen beide etwas erschrocken und regelten sofort runter. Saucool war’s, eben auch weil die Version so unerhört war. Biber Herrmann’s Stimme ist bestimmt nicht „schwarz“, mit geschlossenen Augen hast du dich plötzlich wie in Clarksdale gefühlt, tiefstes Mississippi, mit ’ner Dose Leichtbier (samstags) im Juke Joint. Hey wir sind in Viernheim … und Fritz Rau, da bin ich mir ganz sicher, hätte auch im Chaiselongue bei dieser Aufnahme seinen Spaß gehabt.

Biber erzählt aus seiner Zeit „on the road“ mit Fritz und so mutiert der Abend vom Blues-Konzert zur Blues Messe, nicht vor Sentimentalität triefend, Dankbarkeit ist das treffende Wort.

Biber Herrmann Story

Bluesklassiker wechseln mit Bluesgeschichten, den anrührendsten Moment erleben wir jedoch aus der Konserve: Der Liedermacher und Jazzgitarrist (welch eine Kombination) Jürgen Schwab hat einen musikalischen Nachruf auf Fritz Rau mit heißer Nadel gestrickt, von Biber Hermann ist die Slide:
So Long, Fritz!
Ich gebe es gerne zu, spätestens jetzt werden die Augen doch etwas feucht. Eine weitere Zugabe hätte ich nicht gebraucht.
Cooler Abend, cooler Typ, der, wie er uns nach dem Konzert berichtet, auch schon mal eine Show vor einem ignoranten Publikum abbricht. Dies war heute nicht der Fall, das Viernheimer Publikum war höchst fachkundig. Mehr geht nicht! Ride Along!

Biber Setlist 1

Setlist:
Angels In The Rain (Biber Herrmann)
Have A Little Faith (Biber Herrmann)
Come On In My Kitchen (Robert Johnson)
Mojo Working (Preston Foster/McKinley Morganfield)
Railroad Worksong (Mark Knopfler)
Rainbow Walker (Biber Herrmann)
Goin’ Up The Country (Henry Thomas)
Pause
You ’re No Good (Jesse Fuller)
World On A Death Row
Satisfaction (Jagger/Richards)
Little Red Rooster (Willie Dixon)
Tomorrow Is A Long Time (Bob Dylan)
I Just Wanna Make Love To You (Willie Dixon)
In The Summertime (Biber Herrmann)
Encore I
Sweet Georgia Brown (Casey/Bernie/Pinkard)
So Long, Fritz (Jürgen Schwab, Biber Herrmann slide-g)
Encore II
Leavin Town Blues (Biber Herrmann)
Die Platten:

Temporarly Blue
Love And Good Reasons
Rainbow Walker
Fritz Rau & Biber Herrmann: Ein Plädoyer Für Den Blues (DCD)
Anm.: Siehe auch International Cajun Trio, 2012 / I
Siehe auch 50 Jahre AFBF, 2012 / II
Siehe auch Biber Herrmann 01-2013

Gunther Böhm