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Napalm Death

20. Januar 2013, Cafe Central, Weinheim

The enemies of the music business …

Sonntag Abend ist eher undankbar für Konzerte, vor allem wenn es wie im Cafe Central üblicherweise frühestens um 21.30 Uhr beginnt. Doch Napalm Death, die Grindcore-Urväter aus Birmingham, haben ein Einsehen: keine überflüssige Vorband, 75 Minuten Show und das ausgepowerte Publikum wird in die eiskalte Nacht entlassen. Normalerweise ist so etwas nicht „Value for money“, aber wenn wie im Falle von Barney und seinen Mitstreitern die Spielzeit genutzt wird, um wirklich ALLES kurz und klein zu prügeln, dann ist es eigentlich optimal.

Aber der Reihe nach: „Napalm Death? Das hat mit Musik doch eigentlich nichts zu tun?“ Die Meinung meines Bruders kann man haben. Grind ist halt nicht jedermanns Sache und er muss ja auch nicht unbedingt gut sein, wo er doch leicht in stupiden Lärm abdriften kann. Aber Napalm Death sind seit über 30 Jahren aktiv, haben diesen Stil begründet, haben musikalisch absolut etwas drauf und, was am allerwichtigsten ist: sie haben auch im „höheren Alter“ noch ordentlich Wut im Bauch und etwas zu sagen!
Das Cafe Central ist erwartungsgemäß sehr gut gefüllt, als zum Intro „Circumspect“ zuerst Szene-Ikone Shane Embury die Bühne entert, gefolgt vom Rest der Band und mit dem Opener „Error in the systems“ gleich in die vollen geht. Der Sound ist anfangs ein wenig zu leise, aber diese Energie, die von der Bühne kommt, macht das locker wett. Frontmann Barney wütet wie ein angeschossener Eber über die Bühne und brüllt mit solch einer Inbrunst seine sozialkritischen und politischen Inhalte in die Menge, dass man ihm jedes Wort mit 100 % Authentizität abnimmt, auch wenn man natürlich live kaum etwas verstehen kann. Das neue, äußerst jazz-lastige „Everyday pox“ folgt und zeigt, dass Grind nicht immer nur Hochgeschwindigkeit geradeaus sein muss, sondern musikalisch auch fordernd, anspruchsvoll und vertrackt sein kann. Leider fehlen live natürlich die abgefahrenen Saxophon-Einlagen von John Zorn („We’re saxless tonight“). Nach diesen neuen Stücken geht es rückwärts in der Discographie ... von fast jedem Napalm Death-Album einen Song kündigt Barney vorab an und legt mit „Can’t play, won’t pay“ vom 2000er-Album „Enemies of the music business“ nach. Das Publikum geht komplett steil, der Moshpit tobt, fast der komplette vordere Teil des Cafe Central, und die Crowdsurfer werden bis nach hinten durchgereicht. Im Grunde ist es da auch egal, dass das Versprechen mit „fast jedem Album“ da ein bisschen zu optimistisch war ... die Groove-orientieren Alben der 90er werden allesamt komplett ausgelassen, auch von „Utopia Banished“ war glaube ich nichts in der Setlist; egal, dafür wird das Debut „Scum“ umfangreich zelebriert, die 3-Sekunden-Lärmeruption „You suffer“ frühzeitig auf Zuruf rausgehauen und eigentlich – sind wir ehrlich – kann man die Songs ohne Ankündigung ja eh kaum auseinanderhalten. Nach knapp 65 Minuten und dem üblichen Rausschmeißer „Nazi punks fuck off“ von den Dead Kennedys lassen die Jungs dem ausgepowerten Publikum eine kurze Verschnaufpause, um für „a handful of more“ zurückzukommen ... wortwörtlich: 5 Songs („Scum“, „Life?“, „Deceiver“, nochmal „You suffer“ und „Siege of power“) in 7, vielleicht 8 Minuten und das Inferno ist zu Ende. Hammer-Band, Hammer-Auftritt.

Hat mit Musik nichts zu tun? Wie gesagt, das kann man so sehen, aber eine Band, die seit 30 Jahren kompromisslos ihr Ding durchzieht, auf Festivalbühnen wie in kleinen Clubs eine unglaubliche Energie entfacht und vor allem gute Inhalte verbreitet, die hat definitiv Respekt verdient und wird in der Szene gebraucht.

P.S. Zitat des Abends: „You can’t make a wall of death tonight. We’re way too fast for this“. (Barney Greenway)

Florian Störzer