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BAP rockt – Besser Als Pils!

12. August 2011, Schlossgarten, Schwetzingen

Das kennt wohl jeder: Eine lang geplante Arbeit wird permanent aufgeschoben, kann man ja später auch noch erledigen, bis es dann zu spät ist und von den Ereignissen überrollt wird.
In diesem Fall nur fast – glücklicherweise!

Den Bericht zum BAP-Konzert habe ich schon ein paar Mal verschoben. Läuft ja nicht weg, tippst eben zuerst, was schwieriger scheint. Dann, am 03.11.2011, die Nachricht:

Wolfgang Niedecken mit schwerer Erkrankung (gemutmaßt wird, dass es sich um zwei Schlaganfälle handelt) in Notaufnahme eingeliefert. Die am Dienstag darauf beginnende Tour wurde komplett abgesagt. Ich müsste nun eigentlich, geht aber nicht, weiß ja gar nicht, wie das eine Laie schreibt. Ein Konzertbericht über eine Band, bei der nicht sicher ist, ob der Gründer je wieder auf die Bühne kann. Zwei Wochen später beginnt die Reha. Alles „halv so wild?“. Aber jetzt!

Die lokale Presse lobt ein paar Gratistickets für die beste Erklärung des Kürzels BAP aus.
Ich habe keine Chance. Ist auch nicht weiter schlimm, schreibt doch die gleiche Zeitung: „Lange Zeit hat es gedauert, bis BAP, nach dem Weggang von Gitarrist „Major“ Klaus Heuser, seinen neuen, seinen eindeutig als BAP identifizierbaren Sound gefunden hatte.
Gerade die Alben „Pik Sibbe“, Aff un zo“ oder „Sonx“, wie auch „Radio Pandora“ waren eher verzweifelte Versuche fünf Heimatloser, eine musikalische Herberge, eine neue musikalische Heimstatt zu finden – jedoch ohne Erfolg. (Schwetzinger Zeitung vom 06.08.2011) Was ist das? Chuzpe? Ignoranz? Oder einfach nur der Erguss eines bemitleidenswerten Lokalkritzlers, der sonst darüber berichtet, das im Geflügelzuchtverein Jahreshauptversammlung war und die Kassenprüfung korrekt verlaufen ist. „Pik Sibbe“ war mit Heuser, auch auf der Hülle nicht zu übersehen. „Aff un zo“ und auch „Radio Pandora“ hatten ein paar Inselsongs, „Chippendaledesch“ oder „Istanbul“ (da gefriert das Blut in den Adern) oder eben auch „For ever young“. Von Erfolglosigkeit kann auch keine Rede sein, der Verkauf lief passabel und die Konzerte waren sehr gut besucht. Was solls, Schwamm drüber!

Punkt 20:00 Uhr starten die Kölschrocker, von denen nur noch Niedecken aus der Urbesetzung übrig geblieben ist, mit „Nemm mich mit“. Sofort ist klar, dass dies wieder ein denkwürdiger BAP-Abend wird, nichts an Spielfreude haben die eingebüßt. Im Gegenteil, Major´s und vor allen Dingen auch Effendi´s Abgang haben zu einer deutlichen Entschlackung des Sounds geführt. Besonders des „Effendi-Keyboard-Gegniedel“ vermisst niemand von den ca. 4.500 Anwesenden. Und die Endlos-Gitarren-Soli braucht kein Mensch.

Da stellen Helmut Krumminga (g) und Michael Nass (keyb) eindeutig ihre Arbeit in den Dienst der Band. Freiräume hat trotzdem jeder, wenn auch der Chef augenzwinkernd ruft: „So soliere er“. Überhaupt ist Wolfgang Niedecken sehr vom Schlossgarten angetan. „So schön sauber geschnittene Hecken, fast wie bei mir zuhause. Nee, das glaub ich nun doch nicht!

„Aff un zu“ das Reggae-Stück vom gleichnamigen Album versetzt das Publikum dann schon frühzeitig in Partystimmung. Das ist für den ganzen Abend das einzige Stück, das bei mir nicht zündet, finde die Instrumentierung ziemlich blöd. Mit „Halv So Wild“ beginnt die Abteilung „Neue Platte“ und auch der Stones-Teil des Abends. Überhaupt ist die neue Scheibe ein großer Wurf. In jeder Beziehung, auch die Texte sitzen. „Et Levve es en Autobahn“, „Verjess Babylon“, Keine Droppe mieh“, „Enn Dreidüüvelsname“, „Karl-Heinz“, „Chlodwigplatz“, „Woröm dunn ich mir dat eijentlich ahn?“ und auch nach „Noh all dänne Johre“ alles Klasse –Songs der neuen CD, die ganz eindeutig den Stones Referenz erweist, ohne die eigene musikalische Identität aus dem Blick zu verlieren. Live funktionieren die auch gut!

Als der Frontmann ständig mit einem nervenden Plakat mit der Aufschrift „Jupp setz die Segel“ konfrontiert wird, quittiert Niedecken das nicht nonchalant sondern eindeutig: „Du gehst mir ganz schön auf die Eier!“. Hätte man wissen können…

Es besteht kein Grund zur Besorgnis, weitere „Demütigungen“ außer dieser begründeten gibt es heute keine mehr. Die Band sucht und findet die Kooperation mit dem Publikum, was bei dem riesigen Arsenal an Hits auch nicht schwer fällt. Klar kommt „Kristallnaach“, auch „Waschsalon“ fehlt ebenso wenig wie „Jraaduss“ und „Du kannst zaubere“. Der musikalische Höhepunkt des Abends ist jedoch ein anderer. Nämlich „Bahnhofskino“, das ziemlich surrealistische und auch beklemmende Stück schafft es sogar, dass große Teile der Partyrocker verstummen. Mein Highlight ist ein anderes, am Vorabend des 50. Jahrestages des Baus der Berliner Mauer, ist „Deshalv spill mer he“ im Programm, der Song, der sich mit dem Scheitern der Tour durch den Osten Deutschlands auseinandersetzt. Und „10.Juni“, ist das Stück, dass immer wieder Kraft gab, Sätze wie „Plant mich bloß nicht bei euch ein“ haben eine derartige Kraft, dass es mir egal war, wer da jenseits der Mauer nicht mit eingeplant werden soll. Für mich ist der Text die Gebrauchsanweisung für Courage statt Opportunismus. Fehlt heute, macht aber nichts, hat ja früher geholfen!

Nach ca. zwei Stunden geht eine Band mit einem erstlassigen Arbeitsnachweis von der Bühne, neben den schon erwähnten Musikern sind der an Dienstjahren zweitälteste Jürgen Zöller (dr) und am Bass Werner Kopal, beide früher bei Wolf Maahn, sowie die Gastvilionistin Anne de Wolf mit von der Partie. Es gibt, und dies ist schon Tradition bei BAP-Konzerten, drei Zugabenblöcke, die sich über insgesamt ein Stunde erstrecken.

In Ulm, auf der Amerikatour, habe ich mal ein BAP-Konzert erlebt, dass über fünf Stunden ging. Das ist nicht mehr drin, wer zu einem BAP-Gig geht, bekommt aber definitiv ehrliche Arbeit fürs Eintrittsgeld! „Helfe kann dir keiner“ beschließt einen Abend, an dem kein Wunsch offen blieb, auch nicht „Verdamp lang her“.

Gute Besserung und alles Gute & jederzeit wieder!
Gewonnen hat übrigens Baggere, Affrocke, Palass.
Jaja, gegen Lokalpatriotismus ist kein Kraut gewachsen!

Hier eine sehr subjektive LP-Auswahl:
BAP:
• Affjetaut
• Zwesche Salzjebäck un Bier
• Övverall (Live)
• Aff un zo
• Radio Pandora
• Halv so Wild
Wolfgang Niedecken:
• Leopardefell
• Für ´ne Moment (Buch)

Gunther Böhm