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Eloy

25. Januar 2013, Capitol, Mannheim

Silent Cries and Mighty Echoes

Stellt euch einen überdimensionierten, zwei mal zwei Meter großen, Hufeisenmagneten in einer leeren Halle vor, z. B. im Mannheimer Capitol. Was dann passiert? Das letzte, kleinste metallische Mikrostäubchen würde vermutlich angezogen, aus dem entlegensten Winkel des ehrwürdigen Clubs. Gnadenlos wird alles absorbiert. Gegenwehr zewcklos! Der virtuelle Magnet muss raus, dafür werden Eloy auf die Bühne gestellt, die deutschen Kraut-/ Art-/Prog-Pioniere mit Legendenstatus. Die ziehen Vollfreaks magisch an, die siehst du niemals bei Tageslicht, auch nicht an den komischsten Plätzen, selbst nicht in Mannheim. Vom Lederproll, über Junkies die den Absprung gerade noch geschafft haben, Möchtegern-Intellektuelle, Metalheads mit martialischen Kutten, Elektroniker, Luden, also alles was ein in jeder Beziehung kultureller oder was auch immer Schmelztiegel so ausspeit. Nur Normalos fehlen, und wenn die doch da sind, stehen die eher hinter der Theke des früheren Kinos. Eloy eint selbst die Unvereinbaren. Klar, ein paar ewige Oberlehrer sind wohl auch Erinnerungstour.

Der Laden ist fast voll, war ja nicht unbedingt zu erwarten, bei einer Band, deren besten Tage knapp drei Dekaden vorbei sind, seit 1984 (Metromania) erschienen nur noch sporadisch Alben, die in der „Öffentlichkeit“ (oder das, was sich dafür hält) kaum wahrgenommen wurden, nach „Ocean“ und „Silent Cries ...“ war ein für alle Mal Schluss mit Verkäufen. Für „Ocean“ gab’s einst sogar „Gold“.

Wir sortieren uns auf der Empore ein und fallen in die Kinosessel, weit rechts vor der Bühne. Freuen uns auf Soundschwelgereien, Klangcollagen, eine Entführung in geheimnisvolle Sphären, die ich nicht immer verstehe. Oh, wie ich das liebe: „Atlantis’ Agony at June 5th - 8498, 13 p.m. Gregorian Earthtime“ (15:38). So was Abgedrehtes haben sich selbst King Crimson oder Pink Floyd zu der Zeit nicht mehr getraut. Wobei der Vergleich natürlich hinkt, Eloy war erst Kraut-/, dann Prog-/Artrock, Psychedelic, im 80er-Sinkflug wurde dann auch im New-Age-Bereich experimentiert um doch irgendwie zum Artrock, geprägt von einem doppelten Keyboardteppich, zurückzukehren.

Pünktlich um 20:00 Uhr steht das Krautschlachtross auf der mit Sound-Technik (nötiger und unnötiger) vollgestopften Bühne. Frontmann Frank Bornemann (einzig verbliebenes Gründungsmitglied) eröffnet mit eigenwilliger venezianischer Maske auf der Nase ein dreistündiges optisch und musikalisch völlig überfrachtetes Soundgewitter. Die einzelnen, meistens achtminütigen „Exkurse“ werden mit den ewig gleichen Ansagen verbunden: „Wir spielen Song (?) Soundso vom Album Soundso. Insbesondere Keyboarder Michael Gerlach trägt zu den schwer verdaulicheren Momenten des Abends bei, ein „Dreimanualiges“ hätte für einen größeren Wiedererkennungswert gesorgt. Von wegen, … „Silent Cries …“ Weniger, auch bei Artrockern, kann Mehr sein. Dieser Eindruck marschiert im Gleichschritt mit der Lichtshow, oft zu grell, manchmal frontal, fast brutal auf der Empore. Der Sound ist indifferent, Bornemanns Vokalartistik mit dem stoisch-gleichen Akzent seiner englischen Texte, wabert durch’s Publikum. Der Klang der Stimme verliert im Laufe des Abends zusehends an Farbe, das Konzert driftet in Richtung Keyboard-Beliebigkeit ab. Da ist es nicht unlogisch, dass sich Bornemann von drei Grazien in mittelalterlichen Mönchskutten (die gehören eher in eine Tolkien-Verfilmung als in eine Rockshow) unterstützen lässt. Unpassend und choreografisch albern. Schlimmer der technisch sehr gute Bassist Klaus-Peter Matziol, fast ein Eloy-Urgestein, den Bass im Stile eines Chris Squire zum Melodieinstrument umdeutend, aber völlig abwesend, gelangweilt, der seiner vermeintlichen Pflicht nachkommt, dem Volk für Kohle aufzuspielen. Ohne Regung, emotionslos, unerheblich. Den Tausch „Bass gegen Federballschläger“ hätte Matziol wohl kaum registriert. Der positive Ausreiser war definitiv Schlagzeuger, Schlagwerker, Bodo Schopf, sorgt für veritable „Eloy-Momente“, der trommelt sich auf höchsten Level durchs Programm der 17 Studioalben, die fast alle zitiert werden. Mit Spielfreude und der Aura eines Musikers für den auch optisch 1979 die Uhren stehen geblieben sind. Hammer-Drummer!

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass nichts bleibt!

Unsere Wahrnehmung kann durchaus getrübt sein von einer musikalischen Metamorphose, die wohl jeder durchlebt, für den Musik mehr ist als Ware. Niemals würde ich mich von meinen Eloy-Alben trennen, von z. B. Genesis (ab der Mittelphase) kann ich das nicht sagen. Muss mich in die ersten Eloy-Alben nochmal reinarbeiten. So gesehen war der Abend dann doch ein Erfolg. Und 4 ½ Jahrzehnte sind auch eine Aussage.

Die Band:
Gitarre, Gesang: Frank Bornemann
Keyboards: Michael Gerlach
Keyboards: Hannes Folbert
Bass: Klaus-Peter Matziol
Gitarre: Steve Mann
Schlagzeug: Bodo Schopf
Die Alben:
Eloy (1971)
Inside (1973)
Floating (1974)
Power and the Passion (1975)
Dawn (1976)
Ocean (1977)
Live (1978)
Silent Cries and Mighty Echoes (1979)
Colours (1980)
Planets (1981)
Time to Turn (1982)
Performance (1983)
Metromania (1984)
Ra (1988)
Destination (1992)
The Tides Return Forever (1994)
Ocean 2 – The Answer (1998)
Visionary (2009)

Gunther Böhm