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Martin Turners Wishbone Ash
und
Johnny Winter

19. November 2011, Salierihalle, Winterbach

Double Trouble in Winterbach!

Der „Kulturinitiative Rock in Winterbach“ gelingt es auch im zwanzigsten Jahr (!) ihres Bestehens erstklassige Liveperformer in das Land von Linsen und Spätzle zu locken.

Die Halle ist bestens präpariert, die mittelgroße PA scheint ausreichend und ausnahmslos alle Vereinsmitglieder erledigen einen freundlichen Job. Es fehlt an nichts und das was da ist, wird zu vernünftigen Preisen geboten. Selbst die Eintrittskarten sind origineller als die seelenlosen Computerausdrucke von „Eventim“. Betrachtet der geneigte Rockfan das Line-Up, verwundert es ein wenig, dass die Halle nicht ausverkauft wurde. Johnny Winter hat vor einigen Wochen das Aschaffenburger „Colos-Saal“ rappelvoll gerockt. Das war dann auch der Anlass, die 130 km von Heidelberg nach Winterbach in Angriff zu nehmen. Auf den ersten Blick keine große Distanz - allerdings war der Verfasser dieser Zeilen am Vorabend in Eppstein zur Show der Dead String Brothers. (siehe gesonderten Bericht)

Martin Turner‘s Wishbone Ash:

Der Namensgeber des Ablegers der 70er-Jahre-Helden ist die zentrale wie auch die tragische Figur des Abends. Früher, in besseren Zeiten, haben Wishbone Ash jede Halle locker ausverkauft. Einzig ein angekündigter Wirbelsturm hat einen Auftritt in den USA vor leeren Plätzen stattfinden lassen. Ein musikalischer Hurrican ist für heute Abend nicht zu erwarten, später wird sich zeigen, dass es bestenfalls ein laues Revivallüftchen war.

Wie so viele frühere Helden (Renft, Jane) ist auch die Originalversion heillos zerstritten, was dem Fan gleich zwei Ableger der Rock-Dino‘s beschert. Die andere Fraktion um Andy Powell beschränkt sich jedoch nicht darauf, Erprobtes zu zelebrieren und den Backkatalog auszuweiden wie eine Hyäne ihr Aas. Eher im Gegenteil, die meiner Meinung nach legitimeren Nachfolger entwickeln den Sound konsequent unter Wahrung der Wurzeln weiter.

Martin Turner, Bassist und als Frontmann in der Mitte stehend, beginnt den Set mit dem schwachen „Why don‘t we“ von der noch schwächeren „Here to Hear“ (wie wahr) LP aus 1989. Beide Gitarristen (Ray Hatfield und Danny Wilson sowie Dave Wagsteaffe an den drums) machen einen passablen Job, ohne die Klasse von Andy Powell, Ted Turner oder gar einem Laurie Wisefield zu erreichen. Der Drummer prügelt pflichtschuldig auf die Felle ein, sehr inspiriert kommt der Beat allerdings nicht daher. Mi€tmusiker eben. Turners Bass, der offensichtlich als Frontman an der falschen Stelle punkten möchte, ist übersteuert. Dadurch kommt der Zwillingsgitarrensound, das eigentliche Markenzeichen der Band, viel zu indifferenziert aus den Boxen. Mit „The King Will Come“ wird gleich zu Beginn sämtliches Pulver verschossen.
Immerhin wird der Gitarrensound nun etwas besser, sogar ein bisschen „fuzzy“.

Bei „Front Page News“ dem Opener und Songhighlight des 77er Albums stehen die Regler dann endlich an den Stellen, wo sie hingehören. Die Stimme kommt unverbraucht rüber. Immerhin! Die Heavy-Phase der Band (Twin Barrels Burning und Raw To the Bone) wird glücklicherweise komplett ausgeblendet. Auf diesen fragwürdigen Veröffentlichungen war Turner nicht für die Arbeit an den vier Saiten zuständig.

Wenn der Zuhörer bereit ist, sich auf das einzulassen, was da geboten wird, ein Abend der zum größeren Teil aus Klassikern der besseren Tage besteht, war es auch o.k. Auch dann, wenn man nüchtern feststellen muss, das für die Songs „Warrior“ und „Throw Down The Sword“ gerade jeweils fünf Minuten benötigt werden. Einst wurden diese Meilensteine der Rockmusik als Opus geradezu zelebriert – mit nicht enden wollenden Gitarrenduellen.

An dieser Stelle sei auf den Doppel-Silberling (selbstverständlich auch Vinyl) „Live Dates“ von 1973 verwiesen. So hatte man sich das vorgestellt. Zum Finale gibt es dann noch den „Bad Weather Blues“ mit einigen technischen Spielereien der beiden Gitarristen und der Erkenntnis, dass der Sound erheblich besser wurde.

Die Ankündigung des Chef‘s weiterzumachen ist so logisch wie einleuchtend, folgt doch auch dieser Formation die zahlungskräftige Kohorte der Best-Ager. Für die Rente ist gesorgt.

Definitiv werde ich weiterhin zu Wishbone- Ash- Konzerten gehen.
Aber eben zu Andy Powell. Ein entbehrlicher Auftritt, der nicht genervt hat, aber in der Erinnerung auch keine große Rolle spielen wird. Eine Lücke auf der Tourlandkarte wurde geschlossen.

LP-Empfehlungen:
Martin Turner´s Wishbone Ash: Fehlanzeige
Wishbone Ash:
• Pilgrimage
• Argus
• There Is A Rub
• Wishbone Four
• Live Dates

Johnny Winter:

Der eigentliche Grund unserer Anwesenheit, (Willi, der sich immer gerne inspirieren lässt, Reni & Buffalo, SXSW-erprobte Kreuzfahrer) ist der texanische Blues-Albino Johnny Winter, der hierzulande seit seinem 1979er Rockpalastauftritt so was wie Legendenstatus genießt. Das neue 2011er Album „Roots“ wird von der Kritik einhellig positiv besprochen. Hierzu muss man allerdings wissen, dass sich Johnny Winter von einer großen Schar an Gastmusikern unterstützen lässt. Da geben sich u. a. Warren Haynes, Sonny Landreth und Derek Trucks die Gitarre in die Hand.
Die letzte Scheibe, die die ganze Bandbreite seiner musikalischen Potenz demonstriert, ist mit „Let Me In“ auch schon wieder gefühlte zwanzig Jahre (knapp) her. An dieser Stelle muss auch noch auf den Liveklassiker „Captured“ verwiesen werden. (siehe Empfehlungen)

Den Abend in Winterbach bestreitet er mit seiner aktuellen Band, bestehend aus Paul Nelson (g), Scott Spray (b), Vito Liuzzi (dr, voc). Drei Vollprofis, die wissen, was sie ihrem Chef schuldig sind – u. a. ihm anständig zu sekundieren und kleinere Fehlgriffe zu übertünchen. Nachdem die Band artig die erste Nummer ohne J. Winter runtergespielt hat, wird der Meister auf die Bühne geführt. Das Hereinschieben im Rollstuhl ist nicht notwendig. Überhaupt sieht er wieder besser aus, soweit sich das von einem Zuschauer beurteilen lässt. Tätowiert wie eh und je, mit einem Stetson bekleidet nimmt Johnny Platz und man kann erahnen, dass er es immer noch drauf hat. Schade, wirklich schade ist, dass es sich nicht um Sound handelt. Das ist Brei – Soundbrei. Die Gitarre ist nicht wahrzunehmen bzw. von der Gitarre von Paul Nelson kaum zu unterscheiden. Dennoch ist nach „Hideaway“ sofort klar, das es heute was auf die Ohren gibt. Berufen wird sich u. a. auf die aktuelle „Roots“-CD, Bluesklassiker, Mojo Working, usw. usf. Der Tradition verbunden, was ja schon mal was ist. Kein Platz für neue Arrangements oder gar Experimente. Der Stones-Klassiker „Gimme Shelter“ ist soundtechnisch bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Später wird er sich als Referenz an sein Publikum für einen Song von seinem Stuhl aufstehen, um nach zwei Zugaben, die keine weiteren „Vorstellung“ bedürfen von der Bühne geführt zu werden:
Dust My Broom und Highway 61 Revisted.

Gebührender Applaus begleitet ihn. Es stellt sich schon die Frage, was zu erwarten war, der Gesang kommt fast stakkatoartig von dem bisweilen finster dreinblickenden Hauptakteur.
Seine „kopflose“ Erlewine-Lazer spielt er aber absolut konkurrenzfähig. Wer an einer weiteren Legendbildung teilnehmen wollte, erhielt die Vollbedienung.

Johnny B. Goode, nein, Johnny Be Bad, bitte weiterhin! Danke!

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass es im schwäbischen Kernland, neben Feuerwehr und Schützenverein, durchaus andere Vereine gibt, für die es lohnt zu werben.

Wenn auch (musikalisch und soundtechnisch) nicht alles gepasst hat, wer es trotzdem ein denkwürdiger Abend!

Mehr davon!

Hier die Setlist der Johnny Winter Band, von Martin Turner‘s Wshbone Ash war keine zu bekommen.

• Intro
• Hideaway
• Sugar Coated Love
• Boogie Real Now
• School Girl
• Mojo Workin‘
• Johnny B.Good
• Black Jack
• Tore Down
• Lone Wolf
• Don´t Take Advantage
• Boney Moroney
• All Over Now
Auswahl Johnny-Winter-LP‘s:
• Second Winter
• And
• And Live
• Captured Live!
• Nothin´But The Blues

Gunther Böhm