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I Can‘t Be Satisfied

8. September 2012, Alte Mälzerei Eisenach

50 Jahre Rolling Stones

Zuerst zur Anatomie des Clubs: Die Alte Mälzerei ist ein bis ins Detail liebevoll restauriertes Industriedenkmal, dass im Obergeschoss neben einer kleinen aber feinen Ausstellung zur Geschichte des Gebäudes auch das inzwischen recht umfangreiche Archiv der „Lippmann + Rau Stiftung“ beherbergt. Träger ist der Jazzklub Eisenach e.V., einer der ältesten seiner Art in Deutschland. Stifter sind, neben Fritz Rau auch Udo Lindenberg, Peter Maffay und Ulla Meinecke, um nur einige zu nennen.
Im Untergeschoss befindet sich der eigentliche Ort des Live-Geschehens, hier tobt und stampft der Blues, hier phrasiert der Jazz. Der Hauptraum (vor der Bühne) wird von sechs gewöhnungsbedürftigen, senkrechten Rohren jäh unterbrochen, dazwischen stehen Tische und Stühle, von denen man mehr oder minder ungehindert und bequem dem Bühnenvortrag folgen kann. Im hinteren Bereich schließen sich zwei „Gewölbeschläuche“ an, im linken befindet sich die wichtigste „Requisite“: Die Theke! Alles in allem also nicht optimal, dann aber wiederum doch, das Ambiente atmet quasi Geschichte und verbreitet eine historische Aura. Umso erstaunlicher ist der passabel produzierte Sound, schon beim Cajun-Abend dieses Frühjahr, gestern bei Fritz Rau und Biber Herrmann (die am Vorabend als Team dieses Memorialweekend auf unnachahmliche Weise eröffnet haben) und erst recht heute, bei der Rolling-Stones-Nacht!

Jazzclubchef, Blueslexikon, Laudator und Lokalpatriot Reinhard Lorenz ist die Anspannung anzusehen. Gründe hierfür gibt es keine, mit Mojo Kilian und Bernd Simon, Abi Wallenstein und last but not least, den Snooks, wurden genau die richtigen Musiker eingeladen. Zumindest in der Bluesszene keine Unbekannten. Außerdem ist der Laden heute mal ganz gut besucht, und Krawalle wie vor 50 Jahren bei den Stones-Auftritten sind nicht zu befürchten. Dass die eher gemütliche Klientel, das Jazzarchiv demoliert wie weiland die Fans die Waldbühne ist unwahrscheinlich und, bei allem Respekt, vor den Künstlern, es stehen „nur“ irdische Vertreter unserer Helden auf der Bühne.

Das dreigeteilte Programm (coole Idee) eröffnen mit einem authentischen, hochenergetischen Bluesset Mojo Kilian (Gesang, Gitarre, Harmonica) und Bernd Simon (Gesang, Gitarre). Es werden ausschließlich Songs aus der Frühphase der Stones abgefeiert, Coverversionen für die sich Mick und Keith nach ihrem legendären Treffen auf einem Bahnsteig begeistert haben. Da waren die Stones noch so richtig Blues, huldigten ihren Epigonen, mit „I‘m A King Bee“, „I Can‘t Be Satisfied“, „Little Red Rooster“… später dann auch mit „Stop Breaking Down“, Muddy Waters, Howlin‘ Wolf und Robert Johnson waren die eigentlichen Auslöser des britischen Bluesbooms, Chuck Berry nicht zu vergessen. Kilian fängt das Feeling virtuos auf seinen sechs Saiten ein, die Versionen kommen perfekter als die Aufnahmen der heute Geehrten. Was nicht verwundert, große Instrumentalisten waren sie ja nie. Das Harpspiel ist so dreckig wie im Original, selbst der Gesang von Bernd Simon ist, naja, blues-schwarz, zumindest dunkelgrau oder so ähnlich. Beide harmonieren prächtig miteinander, als zum „Dreier“ mit Michael van Merwyck (Gitarre, Gesang) aufgestockt wird, ist das musikalische Niveau dann auf höchster Ebene. Einzig der Johnson-Klassiker „Love in Vain“ hat nicht so sehr gezündet, Gitarre und Gesang von Merwyck waren (mir) zu vordergründig, das Slidefinale wiederum bärenstark. Der erste Teil war sensationell, Reinhard atmet durch, Zeit zum Bierholen. Nur ein Wermutstropfen: Das blöde Gequatsche an einigen Tischen, gerade bei den ruhigeren Nummern war nervtötend. Bleibt weg, bitte!

Set Nr. 2 „liefert“ mit Abi Wallenstein dann die R ‘n‘ B- und Rock-Variante der Stones, cooler Typ, Freak, guter Gitarrist, auf und neben der Bühne guter Laune, an die Vocals mussten wir uns erst kurze Zeit gewöhnen, war dann aber sehr passend zum Programm. Die von Reinhard ersehnte und angekündigte Interpretation von „Honky Tonk Women“ war unstrittig der Wallenstein-Höhepunkt, ein Stones-Klassiker-Orgasmus, wobei auch das ruhige „No Expectations“ seine instrumentale Klasse auf der Gitarre unterstrich. Deutlich größerer Rockanteil als seine Vorgänger, aber dies war ja auch der Auftrag. Wallenstein hat den Jazzclub auf Betriebstemperatur gebracht, es wurde vor der Bühne und in den Schläuchen getanzt. Kommt vermutlich in diesem ehrwürdigen Ambiente nicht so oft vor. Auftrag perfekt erfüllt. Eine echte Rampensau! Mehr davon!

Der dritte Teil wird von den „Snooks“ zelebriert, schließt musikalisch konsequent an Abi Wallenstein an und feiert auch die Hits ab. Großer Rockanteil, der jedoch immer die Herkunft der Stones in den Mittelpunkt stellt. Inzwischen gibt es auf den überflüssigen Stühlen kein Halten mehr, viele rocken und rumpeln verzückt mit, nach mehrmaliger Band-Aufforderung opfern auch die „Gehandicapten“ ihre Sitzmöbel, ein ursprünglich ruhiger Abend ist endgültig zur Stones-Messe aufgestiegen. Die Snooks geben alles und lassen sich von der Stimmung mitreißen. So stelle ich mir die Dramaturgie einer Rock-Party vor – von einem Konzert kann längst keine Rede mehr sein. Und der beste Song des Abends gehört auch den Snooks: „Sway“ wird zur Gitarrenorgie, erreicht das Original, ohne Zweifel, das hat schon Mick-Taylor-Niveau, klar jetzt habe ich überzogen, egal, nur der Augenblick zählt… Inzwischen sind alle Protagonisten der Show auf der Bühne versammelt, geben sich die Gitarren und die Songs in die Hand. Wahrhaftig, da gibt es ja genug. Dass „Mona“ eine zweites Mal zu Ehren kommt ist logisch, dass mit „Miss You“ (von der 78er Stones-Antwort auf Punk-und Disco-Mätzchen „Some Girls“) ein „Radiosong“ gewürdigt wird, überrascht schon ein wenig, kommt aber ebenso überzeugend wie „Everybody Needs Somebody To Love“. Und wenn ein veritabler Kostgänger der Stonerszene vor der Bühne völlig ausflippt, ein gefährliches Headbanging hinlegt und mit Mick-Jagger-Posen selbst die Snooks zum Lachen bringt, haben alle gewonnen. Jetzt wo der Laden kocht, biegt die Nacht auf die Zielgerade ein. Leider! Die „Fanfare“ von „You Can‘t Always Get What You Want” wird zum finalen Rausschmeißer in eine denkwürdige Nacht: „I Can‘t Be Satisfied“.
Diesen Abend haben sich die Stones verdient: Greatest Group On Earth - diesen Titel ebenso!

Reinhard ist gelöst, hat alles (ohne Blaulicht) funktioniert, starker Abend. Ein Wunsch bleibt offen: Bei solchen Konzerten muss niemand vor der Bühne sitzen, in den Schläuchen ist genug Platz für Stühle und evtl. Stehtische.

Für die Setlist kann „Keine Garantie“ übernommen werden, resultiert aus einem Gedächtnisprotokoll. Sicher ist nur, dass alle gelisteten Songs gespielt wurden.

Die Musiker:
Mojo Kilian (voc, g, harp)
Bernd Simon (voc, g)
Michael van Merwyk (g, voc)
Abi Wallenstein (g, voc)
Michael van Merwyk & The Snooks
BB Snooks (voc, g)
OT Snnoks (voc, g)
HB Snnoks (b)
TT Snooks (dr)
All Star Band
Setlist:
Intro
King Bee
Can‘t Be Satisfied
Little Red Rooster
Confession The Blues
Stop Breakin Down
Love In Vain (Merwyk)
You Gotta Move
Mona
J Just Wanna Make Love To You
Oh Carol
Abi Wallenstein:
Around And Around
Gimme Shelter
Honky Tonk Women
Beast Of Burdon
Under My Thumb
No Expectations
As Tears Go By
The Snooks & All Stars:
Time Is On My Side
It‘s Only Rock´n´Roll
Sway
Not Fade Away/Mona
Jumpin‘ Jack Flash
Miss You
Everybody Needs Somebody To Love
You Can‘t Always Get What You Want

Gunther Böhm

 

 

 

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