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Wichtige Alben 2013

von Florian Störzer

Alice in Chains | „The devil put dinosaurs here“

Alice In Chains, wie man sie kennt und liebt. Tonnenschwere Riffberge und klagender zweistimmiger Gesang auf der einen Seite, melancholische Melodiemeisterwerke auf der anderen. „The devil puts dinosaurs here“ hat mich gepackt, wie kein anderes Album 2013 – warum, das ist schwierig zu beschreiben. Natürlich ist das Songmaterial wieder hochklassigst, Jerry Cantrells Gitarre überragend (man höre das Ende von „Breath on an window“) und das ruhige, country-lastige „Scalpel“ darf sich mit jaulendem Lap Steel den Orden „Song des Jahres 2013“ ans Revers heften – aber es ist die Gesamtheit, die Atmosphäre, dieses Albums, das dunkel mit dem schleppenden „Hollow“ eröffnet und im hoffnungslosen „Choke“ nach weit über 60 Minuten seinen Schlusspunkt findet. Große Kunst. Mein Album des Jahres 2013.

Amorphis | „Circle“

Hier könnte eigentlich mehr oder weniger mein kleines Review zu „The beginning of times“ aus den Alben 2011 stehen – Amorphis haben vor Jahren ihren Signature-Sound gefunden, bewegen sich dort traumwandlerisch sicher auf hohem Niveau und bringen im Zwei-Jahres-Takt Alben raus. Experimentierfreude? Marginal. Unterschiede zu „The beginning of times“ oder „Skyforger“? Ebenfalls gering, „Circle“ ist einen Tick härter, der Sound einen Tick fetter – und in „Nightbird’s song“ gibt es Black Metal-Anleihen. Musikalische Qualität? Klasse wie immer, geschlossen starkes Album, wieder völlig verdient in allen Polls dabei. Von manchen Bands will man einfach gar nichts anderes hören, wie ich schon an einigen Stellen hier gesagt habe: Amorphis gehen immer!

Beastmilk | „Climax“

Mal wieder ein Newcomer aus Finnland – aber diesmal eine ungewohnte Baustelle. Frontmann Kvhost ist auch bei den Folk-Doomern Hexvessel aktiv, Beastmilk sind aber tief in den 80ern verwurzelt. Post Punk, Joy Divison, alte Killing Joke, Musik, die eigentlich viele nicht mehr groß auf dem Radar haben. Noch, denn Beastmilk werden groß. Das Debut „Climax“ steckt soundmäßig mitten in den 80ern, leicht verwaschene Produktion, warme, angezerrte Gitarren, eine eindringliche Stimme, große Melodien, Hymnen voller Emotionen und Verzweifelung, der Soundtrack für den Untergang. Tolles Debut, Beastmilk werden in 2014 groß abräumen.

Biffy Clyro | „Opposites“

Biffy goes Größenwahn: nachdem mit „Only revolutions“ auch in Deutschland der Durchbruch gelang, nimmt man den Weg zum Alternative Rock-Olymp nicht mit kleinen Schritten, nein: Doppel-Album, 20 Songs und mehr von allem. Spielerisch einfach schaffen sie den Spagat zwischen musikalischem Anspruch und Pop-Appeal oder sogar Radio-Kompatibilität. Nahezu jeder der 20 Alternative-Prog-Rock-Nummern mit Breitwand-Produktion ist ein potentieller Single-Hit, keine der 80 Minuten ist irgendwie als Füllmaterial zu bezeichnen, nein ... brilliante Songwriter sind sie, die drei, spielen können sie, und rocken ebenso, das haben sie auf der „Opposites“-Tour eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Biffy auf dem Zenit ihrer Karriere – wie wollen sie das noch steigern?

Blockheads | „The world is dead“

Meine Grind-Platte des Jahres kommt nicht aus Skandivanien. Seit zig Jahren schon treiben die Franzosen Blockheads ihr Unwesen und „The world is dead“ bietet wirklich ALLES, was eine Grindscheibe braucht: Blast-Geballer en masse. Politische Lyrics. Eine dicke Produktion mit fetter Gitarrenwand und knalligem Schlagzeug. Technische Klasse der Band (der Drummer kann einiges). Mehrstimmiger Gesang, zwischen Gegrunze, Geschrei und Gangshouts wechselnd. Das Aggressionslevel an der aller obersten Skala pendelnd. Über zwanzig Songs, der längste knapp zwei Minuten. Und Relapse als Label. Geiles Ding, die Nachbarn werden es lieben.

Bodyfarm | „The coming scourge“

Immer schön, neue Bands live zu entdecken – Name irgendwann mal gehört, aber keinen einzigen Ton. So geschehen bei Bodyfarm auf dem 2013er Eindhoven Metal Meeting; das holländische Quartett hat mich dort so umgehauen, dass ich den kompletten Backkatalog direkt im Anschluss an die Show am Merchstand gekauft habe. Dabei machen sie auch auf ihrem Zweitwerk „The coming scourge“ (erschienen auf Cyclone Empire) eigentlich nichts, was andere nicht auch machen: Old School Death Metal ohne Core, Klargesang oder sonstigen unnützen Krempel. Aber sie haben das drauf, in allen Facetten: die punkigen Abgehsongs („Unbroken“), Slayer-Gedächtnis-Riffs („Vortex of terror“), tierisches Geblaste, mal wird gegroovt wie Six Feet Under in gut, mal töten sie langsam und schleppend, mal wird ein Bolt Thrower-Riff zitiert („The siege of the mind“) und zum Ende gibt‘s eine Bathory Coverversion. Und jeder Song verfügt über einen nicht zu verachtenden Hitfaktor und große Eingängigkeit. Ganz starke Platte, quasi ein „Best of Death Metal“-Album.

Dead Lord | „Goodbye repentance“

Erdige 80er Produktion. Knackiger Hard Rock voller grandioser doppelläufiger Gitarrenleads. Ein Sänger mit rauer, ausdrucksstarker Stimme: das Debut Album dieser vier Schweden läuft bei mir seit Erscheinen mindestens alle drei Tage. Acht Riesennummern und mit „Onkalo“ einen der fünf besten Songs des Jahres. Und … ach, ich sag‘s doch: Thin Lizzy. Natürlich ist das Album die totale Huldigung und null eigenständig, aber wenn ein frischer, junger und authentischer Newcomer kommt und das Original (Black Star Riders) trotz ebenfalls gutem Album doch nochmal ein ganzes Stück abhängt, dann darf man auch ein bisschen leihen. Hammer-Album, bin gespannt, was da nachkommt!

Death Angel | „The dreams calls for blood“

Witzig: bis … na ja … Ende November hätte ich Death Angel‘s neue nicht auf der Liste gehabt. Ein paar Durchläufe seinerzeit, gutes Thrash-Album, aber nichts Außergewöhnliches. Dann habe ich sie in Karlsruhe und Eindhoven live gesehen, und jedes Mal wenn ich „The dream calls for blood“ einlege, sehe ich wieder diese fünf völlig durchdrehenden Typen auf der Bühne, die um ihr Leben spielen und einen Club in Sekunden in ein Tollhaus verwandeln. Dann hört man genauer hin, und bemerkt die geile Gitarrenarbeit von Rob Cavestany, merkt, dass die sich streckenweise fast überschlagende Stimme von Marc Osegueda hierzu passt wie die Faust aufs Auge, hört die äußerst fette Drumarbeit – und eigentlich ballert die Scheibe ja grandios, so gut, wie nichts nach der Reunion. Alleine das Einstiegsduo „Left for dead“ und „Son of the morning“ zerlegt im Grunde alles. Manchmal dauert die Erkenntnis einfach ein wenig länger. Death FUCKING Angel!!

DevilDriver | „Winter kills“

Feingeister waren DevilDriver noch nie. Ihr rabiater Cocktail aus melodisch/groovigem Death Metal und Modern Thrash zielt vor allem auf eines ab: zu zerstören. Album Numero sechs ist allgemein wieder grooviger und Midtempo-lastiger ausgefallen als der brachiale (und etwas zerfahrene) Vorgänger „Beast“. Das Hauptziel bleibt natürlich stets vor Augen: Nummern wie die Groove-Granate „Ruthless“ oder die Single „The appetite“ werden in den Pits dieser Welt zünden wie Streubomben. Dazu gibt es zwischen dem Geballer und Dez Fafaras wüstem Gebrülle immer wieder dezente melodische Einschübe und Gitarrenleads, die sich wie kleine Widerhaken in den Ohren festsetzten, beim Titelsongs kleine Anflüge von Epik und mit dem Awolnation-Cover „Sail“ nach 16 Horsepower vom Vorgängeralbum wieder eine interessante, genrefremde Coverversion. Im Modern Metal-Bereich sind DevilDriver in meinen Ohren nach wie vor unübertroffen.

Falkenbach | „Asa“

Irgendwie sind Falkenbach immer ein bisschen an mir vorbei gegangen; habe zwar alle Platten, aber oft laufen sie nicht. „Asa“ dürfte hingegen mittlerweile schon öfter rotiert sein, als alle anderen Platten zusammen – keine Ahnung warum, aber Einzelkämpfer Vratyas Valkyas hat mich mit „Asa“ gepackt. Die Zutaten sind die gleichen wie immer, epischer „Viking“ Metal, Chöre, Bombast, Epik eben überall. Aber die neue Scheibe tönt abwechslungsreicher: wenn aggressiv, dann richtig („Stikke wound“ und „Wulfarweijd“ ballern mit Black Metal-Gekeife), wenn ruhig, dann richtig („Eweroun“, die erste Single begeistert mit ruhigen Akustikklampfen), wenn episch, dann mit dem größtmöglichen Bombast, den hymnischsten Melodien und den emotionalsten Klargesang. Ich glaube, die alten Platten kommen bei der nächsten Gelegenheit mal wieder in den Player.

Frosttide | „Awakening“

Die Newcomer aus Finnland frönen auf ihrem Debut dem typischen Finnen-Sound der jungen Generation; melodischer Death/Folk Metal, wobei sich letzteres auf die Melodieführung und den Keyboard-Einsatz bezieht, mettrunkenes Geschunkel ist hier meilenweit entfernt. Wintersun, alte Ensiferum, das ist ihnen nicht unbekannt. Natürlich sind sie von der Genialität von Wintersun‘s Wahnsinns-Debut noch ein gutes Stück entfernt, aber irgendwie hat mich Frosttide‘s Album gepackt; hier ist großes Potential zu erkennen, sie können spielen, einprägsame Songs schreiben und schauen auch ein wenig über die Grenzen des Genres heraus, sei es mit symphonischen Einschüben, Choreinsätzen oder ausladenden Kompositionen wie beim über 14-minütigen Abschlusstrack „Unwritten (Engraved in the stars)“. Sehr schönes Debutalbum, wenn die Jungs ihre Stärken ausbauen, dürfte nicht viel im Wege stehen. Einen Bonus-Punkt gibt’s für den witzigen Bonustrack, „Cheri Cheri Lady“ durch den Melo-Death-Fleischwolf zu drehen, kann man mal machen!

Hamferð | „Evst“

Doom ist normalerweise gar nicht meine Baustelle, aber Hamferð erstes Album ist ein richtiger Kracher geworden und wenn Doom, dann so. Die Band kommt von der Metal-Hochburg Färöer-Inseln, schreiben Texte auf färingisch, und haben mit Jón Aldará einen außergewöhnlichen Sänger in ihren Reihen, der spielend zwischen finsteren Growls und pathetischem Klargesang wechselt und verbunden mit der dunklen und elegischen Musik dem Hörer eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken jagt. Ein ungemein packendes, verzweifeltes und atmosphärisch dichtes Album. Antesten, auch als Geschwindigkeitsfanatiker.

Hey! Hello! | „s/t“

Ginger Wildheart‘s zweite pledgemusic-Kampagne brachte neben den Mutation-Alben auch dieses Juwel zu Tage: gemeinsam mit seiner Freundin Victoria Liedtke frönt er dem „Noisy Pop Rock“. Knackige Gitarren? Pop-Appeal? Kommerzielles Potential? Überhits bis zum Abwinken? Klar, her damit!!! „Black valentine“, „Feral days“, „Swimwear“(!!!), „The thrill of it all“, das wären als Singles alles UK-Top 10-Hits, die einem schon beim ersten Durchlauf ein fettes Grinsen ins Gesicht bringen und sich auch nach 50 Durchläufen (getestet) nicht abnutzen – und mit der härtesten Nummer „How I survived the punk wars“ gibt‘s noch einen Mittelfinger gegen das Business und ein Statement für Unabhängigkeit und Authentizität. Quod non erat demonstrandum: Ginger Wildheart ist UK’s bester und talentiertester Songwriter. Da sei ihm verziehen, dass er bei „Feral days“ 1:1 das Riff des Wildhearts-Songs „Eager to leave ‘er“ recycelt hat …

Hot Water Music | „Exister“

OK, OK, ihr habt mich, die Platte ist von 2012. Aber zum einen hat Gunther mit Eric Tessmer auch ein Nicht-2013-Album reingeschmuggelt und zum anderen MUSS dieses Ding hier noch erwähnt werden, da es seit Erscheinen eigentlich rauf und runter läuft. Auf dem Quasi-Comeback „Exister“ gehen Hot Water Music für ihre Verhältnisse sehr straight und punkrockig zu Werke, ohne die verspielten Post-Hardcore-Elemente der älteren Platten. Vom fulminanten Opener „Mainline“ bis zum fast noch fulminanteren Schlusspunkt „Paid in full“ strotz das Album vor Energie und begeistert neben dem hochklassigen und eingängigen Songmaterial auch wie üblich mit intelligenten und sozialkritischen Texten. Das größte Plus bei Hot Water Music ist aber natürlich der Frontmann: Chuck Ragan ist nicht nur einer der authentischsten und sympathischsten Musiker, die ich in den letzten Jahren erlebt habe, sondern verfügt über eine stimmliche Urgewalt, die in der Punkszene ihresgleichen sucht. Man höre nur „Paid in full“: wie er sich dort mit seiner fast überschlagenden Reibeisenstimme den Frust von der Seele brüllt, das ist ganz große Kunst.

Kalmah | „Seventh swamphony“

Man muss es mal wieder sagen: Kalmah sind brutal unterbewertet. Melodic Death mit Keyboards aus Finnland – andere Bands sahnen da groß ab, füllen Hallen und headlinen Festivals, weil sie vielleicht mehr kommerzielles Potential (= coolere Typen, die sich besser vermarkten lassen ...) besitzen. Aber Kalmah haben die durchgängig geilen Alben. Auf ihrer siebten Sumpf-Phonie gibt es wieder alles, was der Kalmah-Fan liebt: abwechslungsreiches, anspruchsvolles Songwriting, tolle Melodien, technische Kabinettstückchen auf Klampfe und Keyboard, abwechslungsreichen Gesang – und Hits. Die neuen Wunderwerke heißen „Deadfall“ (Midtempo-Nummer mit klasse Refrain), „Hollo“ (fast schon balladesker Beginn, steigert sich in epische Ausmaße), „Windlake tale“ (Speed-Granate, die auf einem simplen Punk-Riff basiert – ebenfalls mit einem Hammer-Refrain) oder „Pikemaster“. Mit Insomnium die wahre Speerspitze des finnischen Melodic Death.

Michael Monroe | „Horns and halos“

Ginger Wildheart out – Dregen in. Mit dem Gitarristen der Backyard Babies hat Monroe einen guten Nachfolger für das Wildhearts-Mastermind gefunden und mit sonst unveränderter Band sein neues Album eingerockt. Und das ist wieder eine astreine, geile Rock ‘n‘ Roll-Scheibe geworden. „Sensory overdrive“ war im Vergleich einen Tick härter und selbstzerstörerischer, „Horns and halos“ rockt streckenweise ein bisschen relaxter, aber nicht weniger dreckig, und hat mindestens ein halbes Dutzend potentielle Live-Kracher an Bord. Der Vorgänger hat im direkten Vergleich bei mir ein bisschen die Nase vorne (auch, weil die Bonus-Tracks der Erstauflage eher schwächer sind), aber für einen Platz in unserer 2013er Hall of Fame reicht das dennoch locker. Aber bitte, Michael: komm mal wieder in deutsche Clubs!!

Nails | „Abandon all life“

Die Fakten zuerst: eine Platte, deren Titel so viel bedeutet wie „gib alles Leben auf“, deren zehn Songs in knapp über 18 Minuten über die Ziellinie gehen und von denen „Wide open wound“ und „Suum cuique“ schon fast die Hälfte der Spielzeit einnehmen ... wie mag die wohl klingen? „Southern Lord“ prangt als Label, das birgt für Qualität, und zu überlegen, ob man Nails jetzt dem Grind zuordnen möchte, dem Crust oder doch eher Powerviolence ... dafür sind Leben und Platte eh zu kurz. Also bringen wir es doch ebenso schnell auf den Punkt: wenn einen das Leben mal wieder so richtig gefickt hat, dann gab es in 2013 kein besseres Gegengift als diesen brutalen und finsteren Hassbrocken dieses US-Trios. Der vertonte Hass, die Musik gewordene Negativität.

Noumena | „Death walks with me“

Melodic Death Metal aus … Finnland! Noumena hatte ich gar nicht mehr so recht auf dem Zettel, mehrere Jahre nichts mehr gehört. Aber 2013 gibt‘s ein neues Album; als kleines Alleinstellungsmerkmal haben sie eine Sängerin fest in die Band geholt, die mit ihrer sehr angenehmen Stimme die Refrains in den (überwiegend) Midtempo-Kompositionen aufpeppt und einen schönen Gegenpol zum fiesen Gegrowle bildet. Ausgefeiltes Songwriting, tolle Melodien – schickt die Band mit Insomnium und vielleicht Dark Tranquillity auf Tour, dann könnte das was werden!

The Ocean | „Pelagial“

Dieses Kunstwerk in einigen Sätzen zu beschreiben, das ist nicht möglich. Das Berliner-schweizerische Progressive Metal-Kollektiv hat ein Konzeptalbum gemacht, das einen Tauchgang in die Tiefsee durch die verschiedenen pelagischen Zonen des Meeres vertont. Mit sanften Melodien, Streichern und Akustikgitarren beginnt das Ganze und im Laufe der Reise wird der Sound immer dunkler und bedrohlicher, bis man am Ende bei „Benthic: The origin of our wishes“ bei finsterem Sludge/Doom angekommen ist. Das Album, das Konzept muss man als Ganzes auf sich wirken lassen, ist ein Kunstwerk auf extrem hohem musikalischen Niveau, keine Musik für nebenbei und – wie man vielleicht merkt – nichts, was man irgendwie leicht in Worte fassen kann. Das Album kommt als Doppel-CD, instrumental und mit Vocals. Und wer noch ein paar Euro vom Weihnachtsgeld übrig hat, er kaufe bei der Band doch eine der sensationellen Boxen (CD oder Vinyl) inkl. DVD und Acryl-Platten, die die pelagischen Schichten symbolisieren. So etwas wie das Triple-Vinyl-Boxset hat die Welt vorher noch nicht gesehen – 10" Vinyl, farbig, unter sechs Acryl Platten, über sieben Kilo schwer.

Oranssi Pazuzu | „Valonielu“

Finnland ist schon immer eine gute Quelle für interessante Musik abseits jeglicher Konventionen gewesen – und Oranssi Pazuzu ein weiterer hochinteressanter und hochklassiger Vertreter. Black Metal meets Psychedelic meets Space Rock … oder so irgendwie. Fünf Musiker mit strangen Pseudonymen wie Jun-His, Ontto oder Korjak mischen Black Metal mit Analog-Synthies, Soundeffekten und Bassgewaber und schaffen eine Atmosphäre, wie man sie in dieser Szene wohl noch nie gehört hat – Space Black Metal, der optimale hartmetallische Soundtrack für eine Reise in die Weiten der Galaxie. Der finstere Vorgänger „Kosmonument“ führte in die hintersten Winkel unseres Sonnensystems, in denen die Dunkelheit die Sterne verschluckt, „Valonielu“ ist einen Tick … na ja, nicht unbedingt zugänglicher, aber heller – man kreuzt auf der Reise in unbekannte Weiten die Milchstraße und wird Zeuge von der Geburt neuer Sterne. Einzigartige Band abseits aller bislang bekannter Sounds oder irgendwelchem kommerziellem Kalkül, jeder aufgeschlossene Metal-Fan muss diese Klänge und diese Atmosphäre mal auf sich wirken gelassen haben. Meine Entdeckung 2013!

Pearl Jam | „Lightning bolt“

PJs neue Album ist wieder ein wenig düsterer ausgefallen als der rockige Vorgänger „Backspacer“. Nach dem sehr flotten Einstiegs-Trio wird es streckenweise sehr getragen, „Sirens“ ist eine Überballade, „Infallible“ ein zerbrechlich wirkender Rocksong und „Pendulum“ nichts für Suizidgefährdete. „Lightning bolt“ bündelt im Grunde alle Facetten der Band und lässt den fünf Musikern Platz, ihre Stärken perfekt auszuspielen. Eine tolle, emotionale Platte auf jeden Fall, aber um die Fanbrille mal kurz abzusetzen: es gab schon PJ-Alben, die einen Tick geschlossener klangen und zwei Songs gehen nicht so recht an mich ran: der Swing-Blues „Let the records play“ läuft ein bisschen an mir vorbei und „Yellow moon“ wäre der perfekte Abschluss-Song gewesen, „Future days“ hätte ich mir geschenkt. Das ist natürlich Kritik auf allerhöchstem Niveau, aber bei solch einer Band muss auch Erbsenzählerei erlaubt sein. Klasse Album, freue mich auf den Sommer 2014 – und sie werden es verschmerzen, dass sie für die BBB-Auszeichnungen „Album 2014“ und „Seattle-Album 2014“ ausnahmsweise und auch für mich überraschend doch an Alice in Chains geben müssen.

Robert Pehrsson‘s Humbucker | „s/t“

Robert Pehrsson hat im Laufe seiner Karriere schon auf zig Platten mitgewirkt, aber immer nur in der zweiten Reihe – Gitarrist, Songwriter, hat aber nie selbst die im Rampenlicht gestanden. 2013 wagte er nun den Schritt mit seinem Debutalbum, und gemessen an der Qualität war dieser überfällig. Ein tolles Classic Rock Album hat der (zuletzt) Gitarrist von Imperial State Electric eingespielt, irgendwo in der Schnittmenge zwischen den letzten Hellacopters-Scheiben und Thin Lizzy – das waren zumindest die Namen, die mir beim ersten Hören sofort durch den Kopf gingen. Aber abgekupfert wirkt hier nichts. Pehrsson begeistert mit zeitloser Rockmusik, vielen Hits („Serious“ oder „Wasted time“ wären auch auf den Alben seiner anderen Bands Großtaten!), erstklassiger Gitarrenarbeit (war klar) und (überraschend) einer tollen Stimme.

Protest The Hero | „Volition“

Auf ihrem vierten Album haben die Kanadier ihre Mathcore-Wurzeln endgültig hinter sich gelassen und frönen dem modernen Prog Metal, und das auf schwindelerregend hohem Niveau. Wahnwitziges Gitarrenspiel, der Bass als weiteres Leadinstrument und die Vocals von Ausnahmesänger Rody Walker – Nachwuchsbands müssten nach dem Genuss von „Volition“ eigentlich ihre Instrumente entnervt in die Ecke stellen. Aber Spielen und Frickeln ist natürlich nicht alles, Songs müssen dabei rauskommen: und hier höre man Melodiewunder wie „Tilting against windmills“ oder „Plato‘s tripartite“, die sich umgehend im Ohr festhaken oder das ein wenig an die älteren Platten erinnernde „A life embossed“. „Volition“ ist der perfekte Mittelweg zwischen instrumentalen Eskapaden und eingängigem Songwriting.

Rotting Christ | „Κατά Τον Δαίμονα Εαυτού“

Die griechische Düster-Metal-Institution zähle ich bereits seit „A dead poem“ (1997) zu meinen Lieblingsbands und auch 2013 überraschten sie mit einem hochklassigen, eigenwilligen Werk. „Κατά Τον Δαίμονα Εαυτού“ tönt finster, okkult und sperrig. Die Zeiten des eingängigen Gothic Metals, zu denen ich sie kennen und schätzen lernte, sind lange vorbei, heute servieren sie ihren Sound aus Dark Metal, Black Metal und Heavy Metal mit ritualistisch wirkenden Chören, Mantragesängen, orchestralen Einschüben, Tribalrhythmen, Folklore aus aller Herren Länder und vielschichtigen Vocals. Kein Album voller Hits, sondern ein finsteres Gesamtkunstwerk einer Band, die sich im 26. Jahr ihres Bestehens von allen kommerziellen Zwängen gelöst hat und ihre Kreativität auslebt. Stark!

Sepultura | „The mediator
between head and hands must be the heart“

Mag jemand „Arise“, „Chaos A.D.“ oder „Roots“? Ja? Dann bitte beim nächsten Album weiterlesen. Was Sepultura auf diesem Album mit dem eigenartigen Titel fabriziert haben, das ist etwas völlig anderes, etwas, dass man liebt oder hasst. Geil oder komplett scheiße findet. Klassische Songstrukturen findet man hier nicht immer, das ganze Album ballert enorm aggressiv durch die Botanik, Derrick Greene‘s Gebrüll ist fast komplett durch den Verzerrer gejagt und der leicht verwaschene Sound sorgt ebenfalls dafür, dass das von Andreas Kisser und neu-Drummer Eloy Casagrande verfasste Konzept-Album (basierend auf dem Film „Metropolis“) äußerst schwierig zugänglich ist und beim Ersthören abweisend wirkt. Aber wer braucht schon den immer gleichen Cavalera-Kram á la Soulfly oder Cavalera Conspiracy – das hier ist die interessante Musik, nach und nach kristallisieren sich starke Thrash-Riffs und unfassbares Drumming heraus (schon im Opener pendelt Jungspund Casagrande spilerisch zwischen straightem Thrash, Blasts und Tribal-Grooves) und man wird von der Atmosphäre des Albums gepackt. Beste nach-Max Cavalera-Scheibe, beste Sepultura seit „Chaos A.D.“. Aber wie gesagt: nix für jedermann.

The Temperance Movement | „s/t“

Unsere Lieblings-Newcomer 2013. In zwei Konzertberichten haben wir Ihnen schon gehuldigt, klare Sache, dass auch ihr Super-Debut hier auftaucht. Zu sehr ins Detail gehe ich jetzt nicht noch einmal; zusammenfassend sei nur gesagt, dass alles, was mich live umgehauen hat auch auf Tonträger packt: super Stimme, cooler, lässiger Groove, spielerische Klasse und natürlich geile Songs in Serie. Blues Rock 2013 – die Messlatte für das zweite Album liegt hoch!

Transport League | „Boogie from hell“

Warum Transport League derzeit keinen Plattendeal haben und „Boogie from hell“ selbst veröffentlichen müssen, das verstehe wer will. „Superevil“ und „Satanic panic“ waren Granaten und das letzte Album, das einen ähnlich passenden Titel trug wie „Boogie from hell“ war wahrscheinlich Dismember‘s „Death Metal“. Tony Jelencovich und seine Jungs rocken und grooven sich durch elf neue Songs Dicke-Eier-Metal … irgendwo zwischen Danzig, C.O.C, Clutch, Stoner Metal, hartem Blues Rock, gekrönt von Tony‘s mächtiger, ausdrucksstarker Stimme – Transport League halt, wie leider zu wenig Leute sie kennen und lieben. Labels dieser Welt: was läuft bei Euch falsch???

 

 

Wichtige Alben 2013

von Gunther Böhm

Walter Trout | „Luther‘s Blues – A Tribute
To Luther Allison“

In 2013 kommen Walter keine Wovenhand dazwischen, alleine die Idee der längst überfälligen Würdigung des viel zu früh verstorbenen Elder Statesman des Chicago Blues verdient den Gewinn meines privaten Blues Polls, ach was, den Grammy für Bluesfeeling. Ein Album, das Luther‘s Spätwerk in den Mittelpunkt stellt, niemals anmaßend, aber eine zutiefst berührende Mixtur aus Achtung, Dankbarkeit und Verwaltung. Es ist nicht der schneidend scharfe Chicago Blues allein, es ist die Umsetzung, die Bewahrung ja fast die Verschmelzung der Gralshüter! Die sechs Saiten glühen, live oder auf Vinyl. Luther‘s Musiker-Selbstverständnis: Leave your ego, play the music, love people!
Könnte auch von Walter sein … I‘m back, I‘m a Bluesman! Yes, Sir!

Shooter Jennings | „The Other Life“ (Blue Rose)

Schön eingerahmt von zwei Blues-Alben der zumindest in US berühmte Sohn eines noch berühmteren Vaters. Das Intro erschrickt mit psychedelischen Sequenzen, fremd, um dann ein wahres Inferno an Alt-Country, straightem Rock und Südstaatenfeeling zu entfachen. Da bleiben alle Schubladen zu! Und: „The Gunslinger“ ist der definitive Song des Jahres. In „Walk The Line“ spielt er seinen Vater, auf „The Other Life“ spielt nur Shooter Jennings! 100 Prozent Reinheitsgebot!

Buddy Guy | „Rhythm & Blues“

Keine Blues-Trance wie „Sweet Tea“, nicht Grammy-verdächtig, aber Original-Blues-Buddy – der sich wieder mit einigen Namen schmückt, Beth Hart, der vermeidbare Kid Rock (fällt kaum auf) oder auch Joe Perry. Merkwürdig das fast alle Rezensenten der meist klassischen Bluesarbeit David Grissom übersehen haben, dem es formidabel gelingt, Guy‘s Gitarre leuchten zu lassen. Für Blueser ein Muss, für Spätberufene eine gute Gelegenheit zum Einstieg.

Too Slim & The Taildraggers | „Blue Heart“

„… women and whiskey and bad cocaine ...“ hier werden alle Blues-Rock-Klischees bedient! Knackig produziert, Vollbedienung für den Start in einen Freitagabend, erinnert mich sehr an die Wiederauferstehung von George T., 2120 South Michigan Ave. Und die Adresse ist Programm!

Gov‘t Mule | „Shout“

4-fach-Vinyl der Jam-Schwerarbeiter um Warren Haynes, wobei zwei davon für ein fast sensationelles Experiment reserviert sind: alle Nummern von Teil 1 werden von mehr oder minder prominenten Gastvocalisten in Teil 2 auf deren eigene Weise interpretiert. Wobei die Auswahl schon erstaunt: Elvis Costello (!), Ben Harper, Steve Winwood, Ty Taylor, Glenn Hughes (!), Jim James, Toots Hibbert, Myles Kennedy, Grace Potter, Dave Matthews und last but not least Dr John (!!) - qualitativ hochwertig, war je eh klar, ach ja, beide Alben natürlich.

Willie Nile | „American Ride“ (Blue Rose)

Welcome back home, möchte man da fast sagen, der kleine große Live-Derwisch ist nach Schwaben zurückgekehrt, mit einem hemdsärmeligen Rockalbum abseits von Mainstream und Erfolg, uptempo, große Klasse. Seine beste Arbeit seit langem! Seit langem…??...

Uncle Lucius | „And You Are Me“ (Blue Rose)

Himmel, was ist das für ‘ne Band und was machen die auf Blue Rose? Der Texas Fünfer vereint das Unvereinbare, funky Arrangements und Jam-Passagen á la Mule und Allman‘s, klingen wie Sticky Fingers auf Acid. Klasse Band, die auch live voll überzeugt hat.

Wishbone Ash | „Elegant Stealth“

Dem Twin-Gitarrenschlachtross auf Dauertournee hätte ich das nicht mehr zugetraut. 70er Sound, entschlackt, handwerklich top, rockend bis hard-rockend, Powell‘s Gitarre meist singend, selten sägend, durchaus mit textlichem Tiefgang. Transformation der besten Tage mit konsequenter Weiterentwicklung, die sind nie lächerlich. Martin, zuerst den Prozess um die Namensrechte verloren, nun kannst Du samt Deiner komischen Retro-Combo, Du weißt schon wohin gehen …

Reckless Kelly | „Long Night Moon“ (Blue Rose)

… tja und genau das könnten die Motorcars eigentlich auch, zumindest nach dem Durchlauf von „Long Night Moon“ feinster Country-Rock, Red-Dirt aus der Weite des Outbacks, Reckless-Kelly-Americana der nicht nur im Reisepass reiferen Braun-Brüder. Klasse Album, fürwahr!


Ben Harper and Charlie Musselwhite | „Get Up!“

Noch ein Blues-Album! Ben Harper zurück am Ursprung mit der Harp-Legende Musselwhite! Trotz Bandbesetzung ein quasi-Akustikalbum, angenehm reduziert, bis sparsam, jetzt hab ich‘s: Vintage! Tendenziell nicht so schräg wie Black Keys aber meilenweit weg vom Format. Die zwei Hauptprotagonisten in Hochform!

Im Schnelldurchlauf meine zweiten „Zehn“:

North Mississippi Allstars | „Hernando“
The Reverend Peyton´s Big Damn Band | „The Whole Fam Damnily“
Nick Cave & The Bad Seeds | „Push The Sky Away“
Dustin Welch | „Tijuana Bible“
Elliott Murphy | „It Takes A Worried Man“ (Blue Rose)
Temperance Movement | „Same“
Steve Earle | „The Low Highway“
The Statesboro Revue | „Ramble On Privilege Creek“ (Blue Rose)
Eric Tessmer | „Green Diamond“
US Rails | „Heartbreak Superstar“ (Blue Rose)

Remaster:

Fleetwood Mac | „The Play On“
Ten Years After | „Recorded Live“

Wiederentdeckt:

Doctors of Madness | „Late Night Movies, All Night Brainstorms“


Gunther Böhm